Von Mirjam Mehnert
Wir haben dieser Tage einen Adventkalender als Familie gespielt. Es war einer dieser Exit-Rätsel-Kalender. In jedem Kästchen gab es eine Zeitreise zu einem besonderen Ort, zu Einstein und den Gebrüdern Grimm, zu Johannes Gutenberg, zur Titanic und auch zu den drei Weisen unterwegs mit ihren Kamelen. Unser Sohn hat herzlich über die drei gelacht, denn sie stellten sich in der beschriebenen Adventkalendergeschichte Fragen wie: „Kannst du nicht schneller laufen, sonst kommen wir erst am 06. Januar an!“ oder: „Wo sind die Babysandalen? Wenn wir sie nicht finden, müssen wir die Myrrhe verschenken!“
Nun, vielleicht waren die drei auf ihrer Reise nicht ganz so verpeilt. Immerhin handelte es sich um kluge, vorausschauende Männer. Seit Wochen oder Monaten hatten sie die Gestirne studiert, alte Bücher gewälzt, ihre Reise vorbereitet. Warum ihnen das so wichtig war, wissen wir nicht. Möglicherweise lag es an der besonderen Sternkonstellation, die die Geburt eines ganz besonderen Königs anzeigte.
Da ist er – der Gott, der unsere Lebensrealität aufnimmt und sich auf unserem Weg zu uns gesellt. Drei Astrologen, Magier deuten die Sterne!!! – und finden Gott auf dem Wege. Warum macht Gott das? Hätte er das nicht jemandem zeigen können, der etwas „gottesfürchtiger“ gewesen wäre? Unser kleines Denken erfasst Gott eben nicht. Gott ist gar nicht der in unsere Formen gepresste Allmachtsentwurf. Gott setzt sich über diese Konvention hinweg, weil er ein Gott aller Menschen ist. Und um sich zu zeigen, nimmt er eben erst unsere Lebenswelt auf, wie sie ist.
Da reisen die Weisen, die Könige, die Magier – wer auch immer sie sind – los, um dem neugeborenen König zu huldigen. Sie folgen einer Sternkonstellation. So viel haben sie gelesen, so viel Erfahrung steckt darin, so viel sorgfältige Berechnung und Vorbereitung. Und dann das: Sie landen im falschen Palast und bringen damit den Gottessohn in höchste Gefahr.
Für sie ist ganz klar: Ein König wird in einem Palast geboren. Fehlanzeige. Aber immerhin spitzen die im Palast ordentlich die Ohren und wälzen auch die Bücher. Und die nehmen das richtige Buch zur Hand. Die Ach-so-Weisen werden ganz naiv Opfer einer Intrige, landen daraufhin aber wenigstens am richtigen Ort – im Stall von Bethlehem. Am Ende finden sie, was sie suchen. An einer anderen Stelle, als sie ursprünglich dachten und ganz anders, als sie erwarteten, aber sie werden fündig. Manchmal ändert Gott nur die Richtung oder unseren Blickwinkel, nicht das Ziel. Manchmal sind wir eben bloß nicht auf dem richtigen Weg, haben den falschen Kompass oder suchen am falschen Ort. Vielleicht stellen wir uns das gesuchte Ziel eben auch anders vor. So viele Möglichkeiten, und glauben Sie mir: Gott hat immer noch eine mehr.
Am Ende wendet Gott auch den sicheren Tod des Neugeborenen ab, weil die Astrologen nun einen anderen Blick auf die Dinge haben. Sie hören auf den Gott, der zu ihnen in ihren Träumen spricht, wo er sie erreichen kann: Sie erfassen deren Bedeutung. So wird der geänderte Heimweg auch zum Zeitgewinn für die Familie im Stall, um in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vor dem wütenden König mit Kindsmordplänen zu fliehen. Gottes Wege sind vielleicht nicht immer das, was wir uns vorgestellt haben, aber wir kommen ans Ziel, vielleicht mit weniger Kollateralschaden, als wenn wir unsere eigenen Wege gehen. Wer weiß, vielleicht ist ja auch Ihr Weg (oder meiner?) so einer, der sich erst am Ziel als der richtige erweist, aber anfangs seltsam aussah?
Einen Versuch, Gott nach der Richtung zu fragen, lohnt sich jedenfalls. Vielleicht können wir uns manchen Umweg und manch späte Erkenntnis oder Reue sparen.