Von Marc-Aurel Nerlich
Das ist der Satz, der uns im Jahr 2021 begleiten soll. Ein Satz, der uns dazu auffordert, etwas zu tun, weil Gott für uns etwas getan hat. In diesem Text wollen wir uns mit der Aufforderung „Seid barmherzig…“ auseinandersetzen und in einem späteren dann mit der Aussage „…wie auch euer Vater barmherzig ist!“
Um genauer verstehen zu können, was damit gemeint ist, muss man sich mit dem Wort Barmherzigkeit auseinandersetzen. Es meint, dass man an fremder Not nicht vorbeigeht, sondern diese sieht und etwas gegen sie unternimmt.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, wenn Sie diese Wortbedeutung lesen. Aber vor meinem inneren Auge lassen diese Worte auf der Stelle einige Szenen ablaufen. Ich sehe mich zum Beispiel, wie ich an einem Bettler vorbeigehe oder eine Frau, die mit viel Mühe ihre Einkaufstaschen trägt, nicht anspreche, um ihr meine Hilfe anzubieten. Szenen, die, wenn wir ehrlich sind, doch den Alltag von uns allen prägen. Das stimmt, könnte jetzt der ein oder andere darauf erwidern, aber Not ist doch überall und jeder sollte schauen, dass er mit seinem Leben zurechtkommt. Denn wenn jeder auf sich schaut, so ist jedem geholfen. Doch ich frage mich, ist das wirklich so?
Jesus erzählte zu diesem Thema einmal eine Geschichte: „Ein Mann war unterwegs gewesen und wurde von Räubern überfallen, die ihm alles stahlen und ihn blutend und halb tot in einer Ecke zum Sterben zurückließen. Nach einiger Zeit kam ein Mann vorbei und kurz danach noch mal einer. Beide waren hochgestellte Männer ihrer Gesellschaft. Doch sie ließen den Verletzten liegen. Einige Stunden später kam ein Ausländer an dem Sterbenden vorbei und half ihm, obwohl sich die Völker der beiden Männer in einem sehr spannungsvollen Verhältnis befanden. “
Schaut man sich diese Geschichte an, so sieht man:
1. Es gibt Situationen, wo wir in Not geraten und nichts dafür können. Das kann wie bei dem Mann ein Überfall sein, aber auch ein Unfall, eine schwere Krankheit, finanzielle Nöte, Eheprobleme und vieles mehr. Probleme, aus denen man einfach nicht von allein rauskommt. Wie der Mann in der Geschichte liegt man im übertragenen Sinne blutend am Straßenrand und ist hilflos.
2. Zeigt die Geschichte auf, dass es wichtig ist, dass wir miteinander barmherzig sind. Also der Not unseres Gegenübers begegnen. Zum Glück kam der Ausländer vorbei und half dem Mann. Wäre er nicht barmherzig gewesen, wäre der Verwundete gestorben. Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir mit offenen Augen durch die Welt gehen und dort, wo wir können, sollten wir versuchen, unserem Gegenüber zu helfen.
Ganz praktisch zeigt mir das Folgendes:
- Ich möchte nicht an der Not meiner Mitmenschen vorbeigehen. Das bedeutet für mich, dass der nächste Obdachlose nicht irgendein Störfaktor ist, der nicht in das Bild passt, sondern ein Mensch, dem ich meine Hilfe anbieten möchte.
- Bedeutet es für mich, dass ich mit offenen Augen durch die Welt gehen will, um auch die nicht sichtbaren Nöte wahrzunehmen und dort für Menschen da zu sein. Das kann ganz einfach durch Zuhören, Dasein, einen Anruf, ein mutmachendes Wort u.v.m. geschehen.
Bei dem bisher Geschriebenen wird mir eines bewusst: Ich brauche Gott, um die Not, besonders die versteckte Not der Menschen, sehen zu können. Des Weiteren brauche ich ihn und seine Weisheit und Weitsicht, um den Menschen in Not begegnen zu können.
Wie schön wäre es, wenn die Barmherzigkeit, also das Wahrnehmen und Begegnen der fremden Not, das Jahr 2021 bestimmen würde.