Kam Jesus in die Hölle?

von Christian Mehnert

Karsamstag.

Vorbei! Jesus war tot. Gekreuzigt und gestorben. Schnell in einem Grab begraben, das praktischerweise in der Nähe zur Verfügung gestellt wurde, denn es ging ja auf den Sabbat zu und die Menschen wollten sich auf den Ruhetag vorbereiten.

Der größte Verlust, den sich Jesu Jünger hätten vorstellen können. Sie hatten auf den Messias gehofft, den großen König und unbesiegbaren Herrscher und Befreier. Und der war nun tot.

Vorbei. Die Hoffnungen zerplatzt.

Die Jünger hatten sich versteckt, zum Teil hatten Sie aktiv ihre Zugehörigkeit zu Jesus verleugnet, um nicht auch in die Mühlen des damaligen Machtapparates kommen und auch bestraft zu werden. Sie hatten Angst. Schließlich hatten sie mit ansehen müssen, wie der, der vor ihren Augen Tote zum Leben erweckt hat, nun selbst gestorben war. Wenn diese Mächtigen nicht davor zurückschreckten, ihn zu töten, dann sicher auch nicht, sie als seine Nachfolger zu verfolgen und zu beseitigen.

Über diesen Sabbat-Tag wird in den Evangelien fast nichts berichtet. 

Während über die Woche vor Jesu Kreuzest viel und detailreich zu lesen ist, steht über den Tag nach seinem Tod eigentlich nur, dass das Volk „nach dem Gesetz ruhte“.

Was aber hat Jesus, der an Ostern auferstanden ist, eigentlich an diesem Tag getan? Hat er dagelegen und war zu nichts imstande?
Die Hohenpriester damals hatten bereits so ihre Zweifel, dass er dort einfach so liegen bleiben würde. Zumindest sind sie noch am Abend nach der Kreuzigung zu Pilatus gegangen und haben ihn darum gebeten, Wachsoldaten vor das Grab stellen zu lassen. Sie hatten sich daran erinnert, dass Jesus zu Lebzeiten gesagt hatte, dass er am dritten Tag von den Toten auferstehen würde. Sie hatten wahrscheinlich Angst davor, dass die Jünger den Leichnam stehlen und den Mythos um Jesus noch weiter aufbauen könnten, mehr als dass sie wirklich glaubten, dass Jesus von den Toten zurück ins Leben kommen würde. Ihre politische und religiöse Glaubwürdigkeit stand auf dem Spiel.

Das Grab war also bewacht. Hätte Jesus irgendetwas getan, wäre es bemerkt worden, oder? Er war offenbar wirklich tot.

Ja, das war er. Es ist ein zentraler Punkt des christlichen Glaubens, dass Jesus, der wahre Sohn Gottes, auch wahrer Mensch war. Mit allen Konsequenzen bis hin zum Sterben und Tod. Er geht den Weg aller gestorbenen Menschen.


Im Apostolischen Glaubensbekenntnis beten Christen: …“(ich glaube) an Jesus Christus, seinen (Gottes) eingeborenen Sohn unseren Herrn. Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten…“

„Gott tötet und macht lebendig; er führt in den Scheol hinab und wieder herauf“ (1. Samuel 2, 6)

Offenbar gab es also doch etwas, was zwischen Tod und Auferstehung geschehen ist. Hinabgestiegen in das Reich des Todes? Die Bibel nennt es im Hebräischen „Scheol“, was unterschiedlich übersetzt wird, aber in allen Zusammenhängen für die „Welt der Toten“ und einen Ort der absoluten Gottesferne steht. In der alten deutschen Übersetzung des Glaubensbekenntnisses heißt es gar: „hinabgestiegen in die Hölle“. Jesus ist in die Hölle hinabgestiegen? Als Strafe? Er, an dem nichts Böses war, geht in die Hölle?

Am Kreuz schreit er zu Gott und fragt ihn, warum ER ihn verlassen habe? Absolute Gottesferne – Scheol.

Es wird nichts genau darüber berichtet, aber Jesus selbst hat zu Lebzeiten einige Hinweise auf seinen Tod und die Zeit danach gegeben. So sagt er selbst (Johannes-Evangelium Kap.5, Vers 25), dass die Toten seine Stimme hören sollen. Und wer seine Stimme hört, der wird vom Tode zum Leben durchdringen. 

Sollte das heißen, dass Jesus in der Hölle „gepredigt“ hat? Jesus lässt selbst im Totenreich seine Stimme hören.
Damit macht Gott sich also auch den Tod zueigen und überwindet ihn durch die Stimme seines Sohnes. 

Jesus selbst wird durch seinen Weg zu den Toten zur letzten Chance auf den Weg zurück zu Gott. Die finale Chance, sich für Jesus zu entscheiden und als seinen Erlöser anzunehmen.

Es gibt übrigens eine Verwandtschaft zwischen dem hebräischen Wort Scheol und dem hebräischen Wort für „Frage“.

An Ostern wird Jesus zur Antwort auf die finale Frage des Lebens und auf das große Fragezeichen des Todes.